Nach einem erfolgreichen Probensamstag im Oktober 2023 trifft sich Linus Trapp mit dem neuen und zugleich alten Dirigenten des Symphonischen Blasorchesters Grafenrheinfeld, Jochen Hart, für ein Interview. In einem ausführlichen Gespräch gibt der musikalische Leiter Einblicke in seinen Werdegang, seine Arbeit mit dem SBO, die Gestaltung des aktuellen Konzertprogramms, und, vielleicht am wichtigsten, in seine musikalische Philosophie.

Zum Teil 1

Sprechen wir noch ein bisschen mehr über dich. Wo liegen deine musikalischen Wurzeln und wie bist du von ihnen ausgehend zu dem Dirigenten geworden, der du heute bist?

Da muss ich jetzt ein bisschen ausholen: Meine musikalischen Wurzeln liegen in meinem Heimatdorf Theilheim, wo ich ein kleines Ensemble aus sieben jungen Musikern leitete. Prägender waren aber sicherlich die Erfahrungen, die ich sammeln durfte, als ich in den verschiedensten Ensembles und Orchestern mit den unterschiedlichsten Stilrichtungen mitspielte – Böhmische und Konzertante Blasorchester, BigBands, Jazz- und kammermusikalische Ensembles.

Nach Grafenrheinfeld kam ich 1997, nachdem mich der Gründungsvater des Musikvereins, Robert Gießübel angesprochen hatte, ob ich nicht Lust hätte, das junge Orchester in Grafenrheinfeld zu übernehmen. Das waren damals 17 junge Musiker mit einem Durchschnittsalter von zwölf Jahren. Parallel dazu absolvierte ich die staatliche Dirigentenausbildung. Dort begeisterte mich insbesondere die detailversessene Arbeitsweise des damaligen Dozenten Wolfgang Heinrich. Im darauffolgenden B-Schein faszinierte mich dann vor allem die Klangbesessenheit der Professoren Mösenbichler und Hauswirth.

Bis heute macht es mir eine riesige Freude, mich mit neuen Orchesterwerken auseinanderzusetzen, sie mir anzueignen und gemeinsam mit dem Orchester zu erarbeiten und auszugestalten. Bis am Ende lebendige und wirkungsvolle Musik entsteht, welche Musiker und Publikum zugleich berührt. Damit einher geht aber auch eine innere Besessenheit, die nicht nur für mich emotional fordernd ist, sondern manchmal auch für meine Musiker. Gerade das macht aber auch die Orchesterarbeit so spannend und bereichernd.

 

Was ist dir mit deiner Erfahrung für eine erfolgreiche Probenarbeit besonders wichtig?

Am Anfang steht erstmal das gemeinsame Abarbeiten dessen was im Notentext steht: Richtige Töne, Rhythmus, Artikulation, Übergänge usw., also das Grundhandwerk. Danach beginnt die eigentliche Arbeit – für mich die Schönste – nämlich die Erarbeitung dessen, was nicht in den Noten steht. Der Notation sind naturgemäß Grenzen gesetzt, genauso wie wir es auch in der Schriftsprache haben. Manchmal ist die Art wie wir etwas sagen wichtiger als das was wir sagen und manchmal sind die spannendsten Informationen nur zwischen den Zeilen lesbar. Dieses Zwischen-den-Zeilen-lesen gibt es auch in der Musik, denn es ist unmöglich, das was ein Komponist im Kopf hört ohne Informationsverlust in Notation umzuwandeln. Und auch das „Wie-man-es-sagt“ spielt in der Musik eine wichtige Rolle: Als Frage formuliert oder als Aussagesatz, todernst oder mit einem Augenzwinkern? Jeder Dirigent und jeder Musiker interpretiert, vielleicht vergleichbar mit einem Schauspieler, eine Melodie oder einen Klang o.Ä. auf seine eigene Art und Weise. Nur ist es als Dirigent so, dass ich die Musik nicht selbst spiele, also weniger Schauspieler bin, als vielmehr Regisseur. Meine Hauptaufgabe besteht darin, den Orchestermusikern das „Zwischen-den-Zeilen-lesen“ und das „Wie-man-es-sagt“ transparent zu machen, es für sie nachvollziehbar und nachempfindbar zu machen. Denn letztlich ist es das Zusammenspiel der vielen einzelnen Musiker, was die Musik zum Klingen bringt. Und das ist nun mal umso wirkungsvoller, je mehr Musiker den gleichen Ausdruck und die gleiche Empfindung teilen und für das Publikum hör- und spürbar machen. Diese Magie im Proben- oder Konzertsaal erreicht man nicht immer, aber ich werde nie müde werden es zu versuchen und meine Musikerinnen und Musiker dazu zu ermutigen, sich für diese besondere Erfahrung zu öffnen.

 

Und auf was freust du dich immer am meisten vor den freitäglichen Proben?

Klar, zunächst mal das Musikalische: Wie gestaltet sich die Probe, wie ist am Ende das Ergebnis, oder wie ist auch der Weg dahin?

Aber eben auch die Zusammenarbeit mit dem Orchester. Man hat mit vielen verschiedenen Charakteren zu tun, die mal besser, mal schlechter gelaunt sind, mal frisch im Geist sind, aber auch mal übermüdet in die Probe kommen. Das ist jede Woche aufs Neue spannend, weil es nicht die eine Schablone gibt, die man immer wieder auflegen kann und die dann auch funktioniert.

Die Probenarbeit wird allein deshalb nie langweilig, weil ich einfach gern mit Menschen in Kontakt trete – mit denen die ich noch von früher kenne und mit denen die ich neu kennen und schätzen gelernt habe oder noch werde. Sicher muss ein Dirigent sein Handwerk verstehen und musikalische Ideen vermitteln, trotzdem ist gerade im Amateurbereich das Zwischenmenschliche wahnsinnig wichtig. Weder ich noch die Musiker hätten Lust zur nächsten Probe zu kommen und das nächste Konzert vorzubereiten, wenn die Chemie nicht stimmt. Zum Glück tut sie das aber und deswegen komme ich immer wieder gern hierher und versuche, wenn möglich, auch bei den außermusikalischen Veranstaltungen des Musikvereins dabei zu sein oder einfach beim gemütlichen Beisammensein nach der Probe. Es ist für mich ja auch, genau wie für die Musiker, Freizeit und Hobby.

 

Abschließend möchte ich mit dir noch einen kurzen Ausblick auf die Themenkonzerte am 25. und 26. November vornehmen. Warum hast du das Motto „FANTASY – Mit Musik durch Magische Welten“ gewählt und welche Highlights erwarten uns an den Konzertabenden?

Die Idee dahinter ist zunächst mal ganz banal: Wir wollten uns nicht auf eine klassische Genreeinteilung wie „Film“ oder „Musical“ festlegen. Das schränkt bei der Programmplanung unnötig ein. Welches Thema könnte offener und inspirierender sein als die Fantasie selbst? Wir begeben uns in unserem Fantasy-Konzert in magische Welten, wie 1001 Nacht („Magnetberg“ von Bürki) oder mit Einhörnern („Cry of the last Unicorn“ von Galante), mit Göttern, Hexen und Videospiel- und Filmhelden („The Greatest Showman“). Derart magische Musik muss einen in den Bann ziehen und wird uns und unserem Publikum viele magische Gänsehautmomente bescheren.

 

Ganz zum Schluss darfst du noch einmal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern! Was war denn das verrückteste Erlebnis mit dem SBO in all den Jahren als Dirigent im Musikverein Grafenrheinfeld?

Als mitten im Konzert an der leisesten Stelle von Ennio Morricones „Moment for Morricone“ („Spiel mir das Lied vom Tod“) einer der Schlagzeuger ein höchst eindrucksvolles, leider ungeplantes Beckensolo hingelegt hat und die restlichen Musiker vor Schreck fast das Spielen eingestellt haben.

 

Vielen Dank, lieber Jochen, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast und viel Erfolg bei den Themenkonzerten!

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