Nach einem erfolgreichen Probensamstag im Oktober 2023 trifft sich Linus Trapp mit dem neuen und zugleich alten Dirigenten des Symphonischen Blasorchesters Grafenrheinfeld, Jochen Hart, für ein Interview. In einem ausführlichen Gespräch gibt der musikalische Leiter Einblicke in seinen Werdegang, seine Arbeit mit dem SBO, die Gestaltung des aktuellen Konzertprogramms, und, vielleicht am wichtigsten, in seine musikalische Philosophie.

 

Linus Trapp: Lieber Jochen, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast! Offiziell bist du zwar erst seit Mai wieder fester Dirigent des SBO, aber du hast uns, zusammen mit Christian Lang, ja bereits für die Jubiläumskonzerte dirigiert und auch vor dem Weihnachtskonzert des letzten Jahres Proben übernommen. Und natürlich warst du von 1998 bis 2010 bereits unser Dirigent, bist also sowieso untrennbar mit der Geschichte des Musikvereins verbunden. Lass uns zu Beginn mal ins letzte Jahr springen: Wie lief die erste Kontaktaufnahme nach so langer Zeit ab und was hat dich dazu bewegt, das SBO projektweise wieder zu übernehmen?

Jochen Hart: Die Kontaktaufnahme entstand durch den zweiten Vorsitzenden Dominik Berchtold. Er kam auf mich zu, nachdem wir uns lange aus den Augen verloren hatten. Nach meinem Abschied 2010 habe ich gelegentlich Einladungen zu Konzerten bekommen und bin diesen auch das ein oder andere Mal gefolgt, trotzdem war ich gewissermaßen „raus“. Nicht zuletzt, weil viele der damaligen Musiker, wie auch ich selbst, Familien gegründet und das Orchester erst einmal verlassen haben.

Ein weiterer Grund war, dass ich von Bergrheinfeld nach Würzburg gezogen bin und dadurch auch eine gewisse räumliche Entfernung entstanden ist.

Als Dominik dann aber angefragt und meine Familie Grünes Licht gegeben hatte, war diese vermeintliche Entfernung schnell dahin.

Die Idee eines Jubiläumskonzerts anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Musikvereins Grafenrheinfeld, mit dem ich über 13 Jahre hinweg in der Rolle des Dirigenten eng verbunden war, war zugegeben sehr verlockend. Ebenso interessant war bei diesem Konzertprojekt die Kooperation mit Christian Lang, ebenfalls ein früherer Dirigent des Orchesters. Nicht zuletzt war die Vorstellung schön, mit lieb gewonnenen, altbekannten Gesichtern zusammenzuarbeiten sowie zu erfahren, wie sich das Orchester über die Jahre, auch durch neue Gesichter, entwickelt hat.

 

Anfang Mai dieses Jahres waren nach einer intensiven Probenphase im Frühjahr die beiden umjubelten Jubiläumskonzerte dann geschafft und deine Mission eigentlich erfüllt. Aber nur kurze Zeit später wurdest du dann als fester Dirigent des SBO präsentiert! Wie ist es dazu gekommen?

„Schuld“, muss ich zugeben, war eigentlich meine Frau Verena. Sie war am Samstagabend im Jubiläumskonzert zu Gast, hat selbst ja auch lange in diesem Orchester mitgespielt und macht als Gymnasiallehrerin beruflich auch Musik. Sie hat schnell bemerkt, wie viel Spaß mir die Arbeit mit diesem Orchester macht. Gleichzeitig konnten wir uns beide aber noch gut daran erinnern, wie fordernd und zeitintensiv dieses Hobby sein kann und wollten nicht, dass die Zeit mit der Familie darunter leidet. Mit dem Vorschlag seitens des Vereins, dass einige Orchestertermine u.a. der Auftritt auf der Kirchweih Grafenrheinfeld, von Steffen Kettemer vorbereitet und geleitet werden, stand der erneuten Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.

 

In den 12 Jahren, in denen du uns nicht dirigiert hast, haben sich Verein und SBO natürlich deutlich verändert. Wo siehst du die größten Unterschiede zu damals und welche Chancen oder auch Herausforderungen ergeben sich daraus für deine Arbeit heute?

Unterschiedlich ist, dass wir damals 60 bis 70 Musiker im Hauptorchester hatten (und weitere 40 in den beiden Nachwuchsensembles) und die Altersstruktur eine andere war: Bei der CD-Aufnahme von „Ergasterium“ im Jahr 2006 hatten wir ein Durchschnittsalter von 17 Jahren. Das erleichterte die Arbeit insofern, dass diese jungen Musiker natürlich keine familiären und beruflichen Verpflichtungen hatten. Die Probebeteiligung lag entsprechend bei über 90%.

Auf der anderen Seite ist die Fluktuation im Orchester geringer – Abgänge wegen Studienplatz- , Jobwechsel oder sonstigen Umzügen sind nur noch selten. Darüber hinaus haben sich innerhalb der Musikerschaft feste organisatorische Strukturen entwickelt, die sich stabil und eigenständig tragen und nicht länger auf elterliche Unterstützung angewiesen sind. Außerdem sind die verantwortlichen Musiker in einem (zumindest aus meiner Sicht) so jugendlichem Alter, dass sich ein erfrischend kreativer Austausch entwickelt. Gleichwohl sind wir auf motivierten Nachwuchs jeglichen Alters angewiesen, der die Leidenschaft zur Musik mit uns teilt.

 

Was hast du mit dem Orchester mittelfristig vor, welche Projekte oder Wettbewerbe stehen auf deiner Agenda? Oder mit etwas mehr Pathos gefragt: Was ist deine Vision für das SBO?

Ich glaube, was die Magie eines wirklich guten Orchesters ausmacht, sind musikalische Ausdruckskraft, klangliche Vielfalt und Detailverliebtheit. Das war genau das, was das Grafenrheinfelder Orchester in zahlreichen erfolgreichen Wertungsspielen und Wettbewerben Anfang der 2000er, anderen Orchestern voraushatte. Das gilt es jetzt wieder zu formen und die Besetzung wieder auf das Level zu bringen, das es dafür braucht. Wenn dann das Orchester auch wirklich will, steht künftigen Wertungsspielen und Wettbewerben nichts mehr im Weg.

 

In Teil 2 spricht Jochen Hart noch intensiver über sich und das aktuelle Konzertprogramm. Schaut direkt vorbei!

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